In Berlin genossen der Sänger aus Barcelona und seine Kultursehnsucht fünf berauschend intellektuelle Tage. Auch in Kneipen natürlich. Mit seiner Band Mishima spielte er im Rahmen der Konzertreihe Across Berlin gerade fünf kleine Shows hintereinander. Zeit wird es, die katalanischen Indie-Künstler besser kennenzulernen.

David Carabén ist Sänger und Gitarrist von Mishima, einer Band, die er bereits vor 15 Jahren gründete. Mit ihren zarten, etwas kauzigen und für alle, die die katalanische Sprache verstehen, sicher ungemein verkopften Indie-Perlen, spielten sie sich in ihrer Heimat langsam bis zum Durchbruch. Neben Ausdauer und Besonnenheit kommt in David Carabéns Fall noch mutiges Zeitmanagement hinzu. Älterwerden ist das eine, die richtige Mischung dabei für sich selbst zu finden ganz klar das Beste.

David, ihr habt drei eurer fünf Shows nun schon gespielt. Wie lebt es sich bisher für dich und deine vier Mishima-Kollegen in Berlin?
Ich war ja noch nie zuvor in Berlin. Das ist wirklich eine beeindruckende Stadt: offen, entspannt, voller junger Leute und niemand guckt dich schräg an, was oder wer du bist.

Meinst du wirklich?
In Barcelona herrscht auf jeden Fall mehr Stress auf den Straßen. Auch ist die Ausgehkultur viel selektiver. Eine Gruppe Leute geht in die eine Bar, die andere in die andere. In Berlin mischen sich die unterschiedlichen Szenen mehr und die Leute scheinen einander nicht so kritisch zu beäugen.

Wie habt ihr eure Freizeit in Berlin bisher gestaltet?
Wir haben viel gesehen, Fahrräder geliehen, waren sogar im Fitnessstudio und natürlich in verschiedenen Bars. Heute habe ich das Jüdische Museum besucht. Das hat mich beeindruckt. Es gab eine multimediale Sonderausstellung von Peter Greenaway und Saskia Boddeke zum Thema „Gehorsam“. Die war großartig. Ich habe sogar geweint (lacht). Ich habe noch nie zuvor in einer Ausstellung heulen müssen. Gut gemacht.

Fans der katalanischen Band Mishima besuchen eine Akustikshow der Jungs im Haubentaucher, Berlin.

Kleine Katalanen in love. Eine Schulklasse aus Barcelona folgt Mishima across Berlin. Hier: Haubentaucher.

Inwieweit ist es für euch anders, mit Mishima in der Heimat zu touren, mal abgesehen von der Größe der Konzertsäle?
Wir haben da ja mittlerweile ein Stammpublikum. Durch die Reaktion der Konzertbesucher merken wir, ob das, was wir da gerade machen, gut ist. Wollen sie Teil der Party sein oder nicht? Auch können wir uns natürlich ganz anders ausdrücken, wenn wir wissen, dass die Zuhörer die Texte verstehen. Spielen wir in London oder New York, merken die Leute zwar, dass wir was zu sagen haben. Die Frage bleibt nur: was genau? (lacht)

Ja, es ist schon eine andere Art der Wahrnehmung, wenn man so gar keine Chance hat, inhaltlich etwas aufzuschnappen, oder?
Bei mir weckt so was eher die Neugier, eine Sprache verstehen zu können. Ich hatte begonnen, Französisch zu lernen, weil ich die Literatur in Originalsprache lesen wollte. So kann man sehen, wie die Konstruktion den Sinn beeinflusst. Auch in der Musik hat Grammatik einen großen Einfluss auf den Klang des Ganzen.

Da hat die deutsche Sprache leider nicht die besten Karten. Doch vor einer Weile löste eine Band mal einen gewissen Sprachenthusiasmus aus: Tokio Hotel. Da haben amerikanische Teenager plötzlich Deutsch gelernt.
Ja, ich glaube, mir sagt diese Band etwas. Aber nur sehr, sehr dunkel.

Skizze der Band Tokio Hotel

Tokio Hotel in ihren besten Zeiten. Nur von Salzwasser träumen ist schöner.

Das macht nichts. Trends kommen und gehen. Aber wie habt ihr es eigentlich geschafft, mit Mishima schon 15 Jahre dabei zu sein?
Als wir 1999 starteten, waren wir ehrgeizig, aber bescheiden. Wir suchten einfach nach einer Möglichkeit, uns auszudrücken. Wir hatten nie den Anspruch, dass uns alle sofort feiern und lieben müssten. Vielmehr sind wir über die Jahre unter dem strengen Blick der Öffentlichkeit gewachsen. Jeder weiß, wie schlecht ich damals gesungen habe. Jeder sieht, wie mies meine Texte waren (lacht). Gleichzeitig haben wir jeden einzelnen unserer Fans in Barcelona nach und nach gewonnen und sie halten Mishima bis heute die Treue.

Ist die Arbeit mit Mishima eigentlich dein Hauptberuf?
Wir veröffentlichen alle zwei Jahre eine Platte. So hatte ich mich vor vier Jahren dazu entschieden, mich beruflich ausschließlich der Band zu widmen. Das hat mich zwei, drei soziale Klassen gekostet, aber ich bin jetzt viel zufriedener (kichert). Früher habe ich mal beim Fernsehen gearbeitet und als Journalist. Ich habe zwei Kinder und dann gab es noch die Band nebenbei. Das war zu viel.

Und was ist mit den anderen Jungs von Mishima?
Sie haben noch Nebenjobs. Aber da mittlerweile alle von ihnen über 30 sind, verfolgen sie ihre Jobs nicht mehr sonderlich ambitioniert. Das sind Stellen, um Geld zu verdienen. Zusammen mit dem, was sie durch die Band einnehmen, genügt es, um klarzukommen.

Schnapsfragen an Mishima

Wenn du eine Platte wärst, welche wäre es? Mishima_Pet_Sounds_besteblog
Dann wäre ich „Pet Sounds“ von den Beach Boys.

Du liest ganz offensichtlich gern. Durch welches Buch fühlst du dich repräsentiert?
Ich habe gerade erst „Barney’s Version“ von dem kanadischen Autoren Mordecai Richler gelesen. Das war toll. Es gibt auch eine Verfilmung davon, die ist allerdings schrecklich. Ich lese viel, auch gern Mishima Yukio – natürlich – oder Samuel Beckett.

Über den Autor

Tine

Zucker, Livemusik, Buchstaben, bunte Farben und Lacke, Kleider, Strandball, große Städte, Underdogs und andere (skurrile) Tiere, unclesally*s (RIP).

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