Genie und Wahnsinn, das sind zwei Worte, die die Boulevardpresse gern zusammenschmeißt, wenn sie zwei Dinge nicht greifen kann: Einerseits, wie genial ein Künstler ist und anderseits, wie wenig sie ihn verstehen. Dann kommt sie zu dem Schluss, dass sich diese beiden Sachen irgendwie gegenseitig bedingen müssen. Nun sind nicht alle großen Musiker verrückt, manche tun nur so (siehe Adam Green), weil sie um die Außenwirkung wissen. Bei Ezra Furman hingegen kann man sich nach diesem Konzert ernsthafte Sorgen machen. „I Killed Myself But I Didn’t Die“ – das war wohl bloß ein glücklicher Zufall. Über Furmans musikalische Finesse muss man nicht streiten, er hat den Rock’n’Roll der alten Tage verinnerlicht und mit seiner nöligen Stimme für sich eingenommen. Das Set läuft geschmeidig und wild.

Doch sein Blick schwebt in anderen Sphären, zwischen den Songs brabbelt er vor sich hin und sobald im bewusst wird, wo er gerade ist, verzieht sich sein Gesicht zu einem gruseligen Grinsen. Wer sich mal die Dokumentation über Daniel Johnston angesehen hat, würde hier sicher auf eine bipolare Störung tippen. Die ersten Songs bestreitet Furman – heute übrigens mit seiner neuen Begleitband The Boyfriends, Keyboard/ Bass/ Saxophon/ Drums – in Indieboy-Uniform (Jeans und T-Shirt), nach vier Songs entledigt er sich dieser. Zugunsten des Blümchenkleides, dass er darunter versteckt hält. Im Kleid, ohne Schuhe und mit rasierten Beinen geht es durch den Rest des Sets. Ezra Furman, eine wunderschöne manisch-depressive Prinzessin. Das Publikum ist begeistert, sie wissen schließlich auch um Genie und Wahnsinn. Vermutlich aus der Boulevardpresse. Und die Mädchen, sie verlieben sich. Denn dieser kleine verwirrte Welpe weckt das Helfersyndrom in jeder von uns.

Möge das alles bitte eine gut einstudierte Show sein.

Über den Autor

Finn

Fan von: Eis, FC St. Pauli, Franz Ferdinand, True Detectives. Oliven, Magnus Carlsen, Lambchop, Psych. Smoothies, Biathlon, Wilco, Chuck.

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